Wäre diese Frau nicht gewesen, damals, 1994, ich würde wahrscheinlich heute nicht hier sitzen und diesen Blogbeitrag schreiben. Möglicherweise wäre ich nicht Journalistin geworden, nicht Schriftstellerin, nicht Texterin. Die Frau hieß Ulrike, und sie nahm mich an einem Frühlingstag in der Redaktion einer großen deutschen Frauenzeitschrift beiseite, nachdem ich dort als Leserin eine Blattkritik gehalten hatte. Ob ich Interesse hätte an einem Praktikum?
Das klingt erstmal nicht verwunderlich, denn natürlich ist die Frauenquote bei einschlägigen Magazinen höher als, sagen wir mal, in einer Oldtimer-Schrauberklitsche. Aber trotzdem war diese allererste Ermutigung und Unterstützung damals wegweisend für meine gesamte Berufslaufbahn. Denn in der Runde saßen damals durchaus einige einflussreiche Männer – aber aufgesprungen ist diese Ressortleiterin. Und mit wenigen Ausnahmen waren es auch in den Jahrzehnten danach immer deutlich mehr Frauen als Männer, die mich unterstützt haben, mir feste Jobs und freie Aufträge zugeschustert haben, mich bei der Suche nach Interviewpartnerinnen beraten haben und vieles andere. Bei meiner Arbeit als Journalistin, als Schriftstellerin, Bloggerin, in meiner Coachinggruppe und seit kurzem auch als Hörspielautorin: reißfeste, extrem belastbare Schwestern-Netze. Natürlich gilt längst umgekehrt: Kaum etwas, das ich lieber täte als Kontakte vermitteln, Kolleginnen ins Boot holen – gerne jüngere, die noch weniger gut vernetzt sind -, Ideen mit ausbrüten.
Networking-Karma bedeutet geben, ohne gleich nach Nützlichkeit zu fragen
Deswegen bin ich auch immer so verwundert, wenn allgemein beklagt wird, Frauen seien die schlechteren Netzwerkerinnen. Würden sich nicht gegenseitig fördern, verstünden nichts von geschickter Kontaktpflege, würden sich eher kleinhalten statt groß rausbringen und auch deshalb von mächtigen Männern abgehängt. Ist das wirklich so? Oder habe ich einfach nur seit mehr als 20 Jahren die rosa Brille auf, weil ich eben nicht in der Finanzbranche arbeite oder als Luft- und Raumfahrtingenieurin?
Da mag es rauer zugehen, aber dann wiederum wabern ja auch jede Menge Vorurteile gegen frauendominierte Arbeitsbereiche durch die Atmosphäre. Gerade Frauenzeitschriftenredaktionen gelten ja gemeinhin als die Art von Club, den man eigentlich nur mit Waffenschein betreten sollte: Stutenbissigkeit ist ein häufig gehörter Vorwurf, Unehrlichkeit, und nicht zuletzt, dass Frauen sich in Revierkämpfen um die wenigen Männer in ihren Bereichen gegenseitig das Wasser abgraben. Nennt mich naiv, werft mir vor, dass ich den Schuss einfach nicht gehört habe, aber: Ich habe so etwas so gut wie nie erlebt.
Dabei gibt es durchaus Eigenschaften, die mir bei Frauen auf die Nerven gehen. Manchmal finde ich Kolleginnen überempfindlich, habe ich den Eindruck, dass persönliches und fachliches zu wenig getrennt wird, oder dass sie sich gegenseitig darin überbieten, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Eitle Pseudo-“Ach, ich bin doch nicht so wichtig”-Wettbewerbe. Das machen Männer weniger bis nie, die haben dafür andere Macken. Komischerweise habe ich nie bewusst diese Schwesternschaft gesucht, war immer offen, auf die gleiche Weise auch Tauschgeschäfte mit männlichen Kollegen zu machen. Aber ergeben hat es sich fast nie. Und wenn, dann hatte ich häufig das Gefühl, ich müsste mich ständig behaupten. Denn Männer – wieder sehr allgemein gesprochen – haben ein deutlich ausgeprägteres Hierarchiedenken. Unvergessen der Autor (nicht besonders alt, auch nicht besonders berühmt), der mir als Herausgeberin eines Sammelbandes seinen Text als Ausdruck per Post schickte mit der vagen Bemerkung, das “müsste wohl mal jemand abtippen.” Ja, bin ich denn ein Schreibbüro?
Korrigiert mich, wenn ich falsch liege, aber ich habe immer wieder den Eindruck, Frauen verstehen besser, wie Networking wirklich geht: Frei nach der Kennedy-Devise fragen sie sich meist eher, was sie für die Kollegin tun können, als was die für sie tun kann – und gerade weil sie weniger auf den direkten Interessensausgleich schielen, ihre Kontakte weniger auf sofortige Nützlichkeit abklopfen, werden sie häufig reich belohnt.
Wie man in den Wald ruft, schallt es zurück, oder, eleganter ausgedrückt: What goes around comes around. Karma halt. Auch unser Dreierblog würde kaum funktionieren, wenn wir jede halbe Stunde Arbeitszeit gegeneinander aufrechnen können. Und es gehört für mich zu den besonderen Glücksmomenten, wenn ich selbst etwas einfädeln kann. Einer Gründerin einen Pressekontakt vermitteln, einer Newcomer-Autorin die Tür zu einer tollen Literaturagentur aufmachen.
Klüngeln macht nicht immer reich, aber meistens glücklich
Schon klar: Das ist nicht die Art von freundlicher Klüngelei, die Frauen in Dax-Konzernvorstände katapultiert, die die Quote in den Führungsetagen angleicht oder in den Parlamenten. Das ist eine andere Auseinandersetzung, die anders geführt werden muss. Aber immerhin funktioniert das Sharing von Informationen, Kontakten und Ideen dort, wo es nicht um das ganz große Geld und die weitreichendste Macht geht, sondern eher darum, sich selbst ein erfülltes Arbeitsleben zu schaffen. Wenn ihr mich fragt: Etwas anderes wollte ich auch nie. Vermutlich habe ich das mit vielen Frauen gemeinsam.