Reise-Erinnerungen: der Stoff, aus dem die Träume sind

Es gibt Menschen, die sammeln Schneekugeln, Eulen oder alte Konversationslexika. Alles nichts für mich, allein schon, weil in meiner kleinen Wohnung kein Platz dafür wäre. Ich sammle etwas anderes: Reise-Erinnerungen. Schon mit 13 Jahren trat ich ganz allein meine erste an – zu meiner Oma, die damals für ein paar Jahre in den arabischen Emiraten in Dubai lebte. Heiße Tage in der Wüste, ein Kamel, das im Vorgarten die kümmerlichen Blätter vom Baum fraß, der verwunschene Wüstenort Al-Ain oder das erste Essen in einem 5-Sterne-Hotel, dem Hyatt Regency. Im blauen Jeep bretterten wir beide an den Strand. Oma hat manchmal gejauchzt. Und ich fand sie einfach noch viel toller als ohnehin schon.

Ganz oft, wenn ich mich an sie erinnere, tauchen diese kostbaren Momente vor meinem inneren Auge auf, in denen ich sie fast spüren kann. Denn Arabien war nicht nur meine erste große Reise, es war auch die einzige Zeit, in der ich ein Exklusiv-Recht auf meine süße Oma besaß. Zu Hause in Kiel wuselten immer Geschwister, Cousins, Tanten und Onkel um sie herum. Aber hier in Dubai, da war sie nur für mich da.

Reise-Erinnerungen 40-something.de

Oma, Esther und der blaue Jeep am Strand von Dubai, 1981. Heute steht hier das Luxushotel Burj al arab

Reise-Erinnerungen Arabien Al-Ain 40-something.de @estherlangmaack

In den blauen, knisternden Luftpostbriefen hatte Oma gar nichts von diesem besonderen Wüstenort Al-Ain geschrieben @estherlangmaack

Reise-Erinnerungen: Jede Zeit besitzt ihre eigenen

Heute erhebt sich an dem Strand das Burj al arab, dieses riesige Hotel in Form eines Segels, mit Hubschrauberlandeplatz, teuren Suiten und dem größten Swarowski-Leuchter. Warum ich so genau weiß, dass der heute an Omas und meinem Strand steht? Weil ich auch schon da war, allerdings knapp zwanzig Jahre nach meinem ersten Urlaub in Dubai. Und das sind ganz andere Bilder, die ich dann sehe.

Wenn Reise-Erinnerungen das Herz beschweren

Manchmal sind es nicht die federleichten Gefühle, die sich bei solchen Reise-Erinnerungen breitmachen. Das ging mir in Südafrika so. Ich wurde von einer großen TV-Zeitschrift dorthin geschickt und durfte mir ein Township und Kindergärten anschauen. Kaum betrat unsere Gruppe den Spielplatz, sprangen uns die Kleinen an.

Reise-Erinnerungen Suedafrika 40-something.de @estherlangmaack

Komm’ spiel mit mir. Die südafrikanischen Kinder waren fast ausschließlich Waisen – Reise-Erinnerungen tun manchmal weh @estherlangmaack

Rechts, links, einer auf der Hüfte, ein Mädchen im Arm. So süß, wie zutraulich jedes einzelne von ihnen versuchte, unsere Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber gleichzeitig so bitter. Diese Kleinen waren zum großen Teil Aids-Waisen und hatten meist niemanden mehr. Wenn sie Glück hatten, lebten ihre Großeltern noch. Oder zumindest einer von ihnen. Das war mir kurzzeitig zu viel. Ich musste raus vor den Zaun, damit die Kinder meine Tränen nicht sehen konnten. Wenn ich an diese Momente denke, würde ich am liebsten sofort wieder hinfliegen und den Kleinen alles geben, was sie festhalten möchten.

Reise-Erinnerungen und neue Freundschaften

Glück dagegen ist, wenn sich die alten Erinnerungen immer wieder mit neuen Bildern vermischen. Sara und ich lernten uns vor Jahren auf den Philippinen auf Boracay kennen. Obwohl wir nur einen Bootstrip und eine Partynacht dort verbracht haben, wirkt es, als wären wir alte Vertraute. Sind wir mittlerweile auch. Denn wir haben uns sofort verfacebookt und lesen jetzt immer gegenseitig, was dem anderen in den vielen Jahren seit unserem Treffen passiert ist.

Sara hat inzwischen zwei Kinder, lebt glücklich mit ihrem Mann in Schweden und erzählt stolz, dass sie als ehemaliger Flüchtling jetzt perfekt Schwedisch spricht, sich aber gleichzeitig freut, wenn sie auf ihre dunkle Haut und Herkunft angesprochen wird. Damit reichert sie unsere alten gemeinsamen Reise-Erinnerungen mit wertvollen Neuigkeiten an. Denn wir hatten uns schon damals darüber unterhalten, wie der Alltag für Migrantinnen in Schweden aussieht.

Reise-Erinnerungen Philippinen Boracay 40-something.de @estherlangmaack

Party on! Sara und ich auf Boracay @estherlangmaack

Reise-Erinnerungen: die Ruhe in mir

Und dann gibt es noch die etwas anderen Reisen. Solche, auf denen ich ganz allein bin. Meistens zieht es mich dann ans Meer. Von diesen Urlauben bleiben meist nur Erinnerungen an wunderschöne Strände, Wellen, die mal tosen oder ruhig auf den Sand plätschern. Fast immer stehe ich krachfrüh auf und wandere die Küste entlang. In diesen Momenten verblassen die Alltagssorgen, die mich manchmal in Hamburg plagen. Statt vieler neuer Bilder sehe ich nur den Strand und die Wellen, die wie magisch meine Gedanken wegtragen.

Reise-Erinnerungen Manila 40-something.de @estherlangmaack

Harmloser Kirchenbesuch? Nicht unbedingt. Dieser Platz in Manila ist berüchtigt und keine gute Adresse für Touristen @estherlangmaack

Hin und wieder füllen sich die Reisen auch ganz plötzlich und zufällig mit neuen Eindrücken. In Manila, als ich eigentlich eine bestimmte Kirche anschauen wollte, und plötzlich eine Gruppe amerikanischer Touristen auf mich zukam, um mich sofort aus dieser Gegend herauszuführen. Zu gefährlich, meinten sie, nahmen mich in ihre Mitte und brachten mich in einen harmloseren Stadtteil.

Reise-Erinnerungen: Da geht noch was

Manchmal sitze ich in der Bahn, stehe in einer Schlange oder brauche ein kurze Buchstabenpause. Immer dann lasse ich den Blick schweifen und warte, welches Bild von diesen Reisen erscheint. Dann halte ich kurz inne, fühle ähnlich wie damals, hin und wieder gesellen sich noch einige andere Erinnerungen hinzu. Und in den Momenten weiß ich: Reisen sind für mich das perfekte Yoga. Denn nur unterwegs bin ich meist im Moment und lebe die Achtsamkeit, wie ich es auf keiner Yogamatte in meinem Stadtteil kann.

Reise-Erinnerungen Tuerkei 40-something.de @estherlangmaack

Zweites Zuhause: Meine Schwester und ich in der Türkei auf dem Boot von unserem “türkischen Bruder” Hassilein. Warum wir so oft dahin gereist sind? Unsere Mutter wohnt da. @estherlangmaack

Manchmal fragen mich Freunde, warum es mich immer wieder fortzieht. Meine Antwort: Ich investiere in Erinnerungen. Irgendwann werde ich diese langen Reisen vielleicht nicht mehr machen können, dann aber werde ich mich an die Fische in Malaysia erinnern, die wohl dachten, ich wäre ein riesiges Baguette. Oder an die große Wasserschildkröte in Mauritius, vielleicht auch an die Wale in Boston. Mit Sicherheit denke ich immer wieder auch an die vielen Urlaube in der Türkei mit meiner Familie. Meine Mutter wohnt seit vielen Jahren dort. Oder ich erinnere mich an den Singalesen Keerthi, der mich spontan zu einem Essen mit seiner Frau auf die Teeplantage einlud.

Die Erinnerungen daran, die bleiben bei mir. Sie ploppen manchmal unverhofft auf oder ich rufe sie herbei, wenn ich eine kleine Traumzeit brauche. Jetzt im Moment plane ich eine Reise um die Welt. Wahrscheinlich dauert es noch, bis ich alles organisiert habe, aber dann … Dann sammele ich sie wieder: diese bunten Bilder, die mich manchmal zu Lachen bringen, die mich wichtigen Menschen wie meiner Oma wieder nah werden lassen, manche, die ich mit Wehmut und schwerem Herzen betrachte oder die ganz leichten, die mein Herz wieder fliegen lassen.

 

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