“Spectre”-Premiere: Alibi-Girls und unsexy Helden

Liebe Verena,
in aller Freundschaft: nee, die “Spectre”-Premiere, die dürft ihr euch ohne mich anschauen, Esther und du. Zugegeben, ich habe auch fast alle 22 Teile der Agentenreihe gesehen. Aber ehrlich gesagt, meist einem Mann zu liebe. Ja, einige Filme haben mir sogar gefallen, andere fand ich gnadenlos langweilig. Rasante Action-Szenen, schnelle Autos, witzige Erfindungen, scharfe Schnitten – diese Kombination macht James Bond-Filme offenbar für viele Männer unwiderstehlich. Für mich nicht. Wahrscheinlich, weil mich weder schnelle Autos noch kurvenreiche Frauen sonderlich interessieren. Früher gab es trotzdem einen Grund, die Filme zu gucken: Connery, Moore, Brosnan. Jetzt nicht mehr. James Bond ist nicht mehr sexy.

Gerade am Wochenende sprach ich mit meiner Freundin Beate. “Das wird schon mein zweiter Bond-Boykott, ich wollte auch ‘Skyfall’ nicht sehen. Denn ich finde Daniel Craig so fruchtbar unattraktiv.” So geht es mir auch. Im Original hat Craig eine angenehme Stimme, ich mag ja Männer mit schönen Stimmen. Aber ansonsten? Agent 007 ist als Womanizer bekannt. Die meisten Bond-Girls hat wahrscheinlich Roger Moore in den 70er Jahren im Bett haben dürfen. Die Vorgänger von Daniel Craig, das sind Männer, die für mich wirklich attraktiv sind, oder es jedenfalls mal waren.

Spectre-Premiere

Lässt Silke kalt: Daniel Craig im neuen James Bond (c) Sony Pictures

Charmant, witzig, warmherzig und humorvoll. Das ist Daniel Craigs James Bond nicht. Anziehend? Nö, keine Spur. Sicher, als Gegenstück zu diesen metrosexuellen Weicheiern hat er etwas. Aber den Spitznamen James Bland (für langweilig) hat er als Typ für mich leider verdient. Ich finde ihn einfach nicht sexy. Beate auch nicht. Das mag an den leicht abstehenden Ohren, dem eher schmalen Mund und dem etwas runden Kopf liegen, vor allem aber eben am mangelnden Charme. Den Frauenhelden kaufe ich diesem Bond einfach nicht ab.

Früher konnte ich die langweiligen Filme im Kino überstehen, weil ich einfach gern Pierce Brosnan sah. Und nun? Ich habe keine Lust auf “Spectre”. Dabei spielt ein 40-something Mann mit – Craig ist 47 Jahre alt. Auch eines der Bond-Girls soll  mich ja als Zielgruppe ansprechen. Lust auf einen Kinobesuch habe ich trotzdem nicht. Aber schreib mir, ob ich was verpasst habe, ja?

Herzliche Grüße, Deine Silke

 

Liebe Silke,
über Geschmack will ich nicht mit dir streiten – ich fand schon immer Blonde attraktiver als Dunkelhaarige (mein Mann hört jetzt mal weg, und außerdem bestägigen Ausnahmen die Regel). Ansonsten hast du richtig gehört: Zum ersten Mal in der Filmgeschichte hat Bond ein Girl, das bereits die 50 hinter sich gebracht hat. Und gleich noch eine freudige Mitteilung hinterher: Monica Bellucci ist schön, sinnlich, aufregend, obwohl man ihrem Körper in Großaufnahme durchaus ansieht, dass er schon eine ganze Strecke Leben hinter sich gebracht hat. Das ist mutig, das fanden wir gut. Ché bello.

Und jetzt die schlechte: Die positiven Presse-Zeilen zu dieser Meldung würden aneinandergereiht geschätzte 13,8 Mal den Äquator umspannen – Signora Belluccis Filmpräsenz steht dazu in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis. Ich hab’s nicht gestoppt, aber ich schätze, ihr Auftritt dauert so um die dreieinhalb Minuten. Inklusive Agenten-Geknutsche vor dem Spiegel. Danach wird die heiße Lady nicht nur in bewährter Bond-Manier fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel, auch die Drehbuchautoren breiten den Mantel des Schweigens über sie. Stattdessen darf sich Bond über weite Strecken hinweg von Kurvenstar Léa Seydoux dabei zuschauen lassen, wie er beinahe vom finsteren Bösewicht … ach nein, kein Spoiler an dieser Stelle. Falls du es dir doch noch anders überlegst mit dem Kino. Nur eine kleine Rechnung: Während Léa Seydoux noch bergeweise französische Wegwerfwindeln hinterließ und gerade mal krabbeln lernte, war bella Monica bereits 19 und mit Sicherheit der Star jeder italienischen Strandpromenade.

Spectre-Premiere

So sehen wahre Bond-Girls aus: Verena (li), Esther (re), Melanie aus dem Bond-Drehort Ötztal (c) Verena Carl

Klar, das gehört zum Geschäft. Die geschickt platzierten teuren Uhren, die Autos, die Drinks, die Chicks – eine bunte Männerphantasie, das letzte Gedankenreservat dieser Kerle, die sich weder als metrosexuell noch als Hipster-Dad geben. Sondern lieber ganz Old School im Hobbykeller schrauben, von Pussy Galore träumen und heimlich überzeugt sind, dass eine Wunderwaffe von Q in allen Lebenssituationen mehr bringen würde als konstruktive Gespräche. Na meinetwegen, sollen sie. Aber die Nummer mit Monica, die nehme ich der (immerhin weiblichen) Filmproduzentin Barbara Broccoli persönlich übel. Denn dieser Mini-Bond-Girl-Auftritt ist nichts als ein Alibi, ein Feigenblatt für das 21. Jahrhundert. Da ist das blöde Augenzwinkern schon einkalkuliert: Knackige Alte, lecker für zwischendurch, aber ernsthafte Anziehung oder gar romantische Liebe? Nee, dafür dann doch lieber die junge Sahneschnitte im aquafarbenen Seidenkleid, die – so emanzipiert sind wir dann doch – auch ganz schön scharf schießt. Ich finde, da geht noch was. Besser gesagt: Da geht noch ganz viel. Nochmal: Die Bellucci-Szene dauert etwa dreieinhalb Minuten, der Bond-Film satte 150. Am Schluss war ich verdammt müde. Und das lag nicht an der ganzen Aufregung, ob James auch diesmal lebend davonkommen würde. Aber wenn wirklich mal ein Bond mit einem richtig tollen Role-Model ins Kino kommt, sag ich dir Bescheid, ja?

Lieben Gruß, Verena

Nächste Woche im Blog: Esther über Filmtourismus – warum Drehorte von Blockbustern, zum Beispiel das Tiroler Ötztal, regelmäßig zu In-Zielen werden, wenn die Kamera-Crews eingepackt haben

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