Aus Männersicht: keine Lust auf Sex

Die Debatte um #metoo reißt nicht ab. Sie ist richtig und wichtig. Aber sie zeichnet auch ein sehr einseitiges Männerbild. Stets nur an das Eine denkend, immer bereit und überhaupt Opfer ihrer Hormone? Andreas nervt diese Unterstellung. Bei keinem Thema wird so viel gelogen, findet er und erklärt, warum er nicht mehr will. Denn er hat keine Lust auf Sex, der als Tauschgeschäft verstanden wird und keine Lust mehr, den Rollenklischees zu entsprechen.

Das war’s dann also. Das Ende einer Freundschaft, die eigentlich gerade erst angefangen hat. Diese warmherzige, witzige Frau mit den wilden Locken hat Schluss gemacht. Sie möchte keinen Kontakt mehr zu mir, weil ich keinen Sex will.

Frauen haben mich immer verwirrt. Ganz früher tobten wir als Kinderclique gemeinsam durch den Stadtteil, da waren die Mädchen noch unkompliziert. Aber als ich meine Legosteine unter mein Bett verbannte, wurde alles anders. Ich verstand das andere Geschlecht nicht im Geringsten. Ich war eindeutig nicht der coole Typ, bei dem die Damenwelt dahin schmolz. Bitter für mein jugendliches Ich, denn klar hatte ich Interesse. Die Kumpel sprachen viel über – haha, du weißt schon! Das nervte mich eigentlich schon damals. Die tollste Schnitte war die, die sich am ehesten überreden ließ? Für mich eher nicht. Die ersten Anbändelungensversuche waren eher kläglich. Ich landete am Boden. Und stand wieder auf. Sex? Ja, den gab es dann irgendwann schon. Aber nie ohne reichlich Anstrengung und Verbiegen. Ich bilde mir nicht ein, da in der obersten Liga zu spielen. In meinen frühen Zwanzigern habe ich mir den Mund fusselig geredet und reichlich auf die Charme-Karte gesetzt. Ab und an mit Erfolg. Aber schon damals fand ich das Spiel ein wenig überbewertet.

Keine Lust auf Sex, aber auf Drachen

Immer stark, immer willig? Das Männerbild nervt … (c) www.pixabay.de

Keine Lust auf Sex: Männer wollen doch gar nicht immer nur das Eine

Irgendwie standen dann andere Dinge im Mittelpunkt. Ich studierte Maschinenbau, arbeitete in einem Umfeld, in dem es kaum Frauen, dafür viele deftige Sprüche gab. Dass ich lange solo war? Habe ich nicht groß erzählt. Dann hätte ich mir dämliche Kommentare anhören müssen. Denn schließlich will ja jeder Mann nur das Eine. Ich eigentlich nicht. Was ich mochte? Mehr: Gedankenaustausch, Nähe. Zärtlichkeit. Ist ja nicht so, dass ich gar keinen Sex wollte. Nur halt keinen Leistungssport – ständig neue Frauen sammeln? Wollte ich nicht und konnte ich auch nicht. Aber irgendwann passierte es dann doch. Ich traf eine Frau, und es passte. Sie mochte mich, ich sie, wir hatten gemeinsame Freunde und gingen abends weg. Diese Frau heiratete ich schließlich, das macht man ja auch so. Haus bauen, Kinder kriegen, Baum pflanzen.

Zwei Jahrzehnte und zwei Kinder später war die Ehe am Ende. Vielleicht läuft das in anderen Langzeitbeziehungen anders, aber oft schleicht sich das Bedürfnis nach körperlichem Austausch einfach weg. Wenn man den anderen eigentlich kaum ertragen kann und nur den Alltag teilt, warum dann noch das Bett? Das Schlimme ist ja, dass Sex so oft zum Druckmittel wird. Er wird gewährt bei Wohlverhalten. Ist Harmonie-Kitt, wenn eigentlich sonst gar nichts mehr an Kommunikation läuft. Die eheliche Pflichtübung, damit nur ja niemand beleidigt ist. Die Erwartungshaltung an den anderen, für dessen körperliches Wohl zu sorgen und eben im wahrsten Sinne bitte alle Bedürfnisse zu befriedigen – das war ein Spiel, aus dem ich irgendwann ausgestiegen bin. Ich wollte nicht mit Sex belohnt werden. Wollte nicht mehr um des lieben Frieden Willens so tun, als ob ich ständig scharf sei. Denn das war ich nicht.

Keine Lust mehr auf Sex als Druckmittel

Ich bin ein Mann und ich kann auf Sex verzichten. Auf diesen Sex, dem ich oft nur zustimmte, weil ich einfach nach einem langen Arbeitstag keine Lust auf Streit oder Vorwürfe hatte. Wir Männer wollen ja immer? Nein. Ganz ehrlich nicht. Aber wir lügen vielleicht mehr. Glauben, dass wir diesem Bild entsprechen müssten.

Jetzt bin ich geschieden und wieder Single. Und ich kann bestens auf Sex verzichten. Aber nicht auf zwischenmenschlichen Austausch, Nähe und tiefe Freundschaft. Das hätte ich schon gern. Und ich dachte auch, ich hätte eine Frau gefunden, mit der ich das teilen kann. Durch Zufall hatte ich sie kennen gelernt. Sie war stark, unabhängig. glücklich geschieden und auf der Suche nach Freundschaft, so wie ich. Und so trafen wir uns. Gingen ins Kino. Redeten über Gott und die Welt, schrieben uns WhatsApps. Das war wunderbar. Offen, ehrlich und auch sehr intim.

Doch dann wollte sie mehr. Erst dezent. Sex sei ja auch in einer sehr guten Freundschaft möglich? Irgendwann war es keine Andeutung mehr, sondern eine eindeutige Einladung. Kalt ließ mich das nicht. Und mein zwanzigjähriges Ich, das damals so viel Arbeit investieren musste, meldete sich. Aber ich wusste: Das will ich nicht.

Nein, ich habe keine Angst, verletzt zu werden. Ich möchte mich nur nicht mehr verstellen. Diese Art der Nähe brauche ich nicht. Jetzt jedenfalls nicht. Da war auch kein körperliches Bedürfnis. Das haben nämlich gar nicht alle Männer ständig. Ganz sicher jedenfalls nicht mehr jenseits der 40. Vielleicht habe ich irgendwann wieder Lust. Aber es muss einfach passen.

Keine Lust auf Sex, weil allein sein auch schön sein kann

Auch ohne Sex kann das Leben schön sein  (c) www.pixabay.de

Das Nein zum Sex war das Ende der Freundschaft

Dass ein Mann so ein Angebot ablehnt? Damit habe ich dann doch die Freundschaft beendet. Dabei war es von mir aus alles andere als geringschätzend gemeint. Es war ein unendlich großes Kompliment. Eine Affäre ist schnell wieder vorbei, der Sex ist dann doch nicht erwartungsgemäß und viel zu schnell entsteht Druck. Freundschaft ist mir wichtiger.

Nicht jeder Kerl hat die gleichen Bedürfnisse. Lese ich die aktuellen Debatten, finde ich das auch sehr gut. Was jetzt fehlt? Offene Worte wie diese: Hört doch endlich alle mal auf mit den Lügen zum Thema Sex. Klar kann der gut sein. Aber eben nicht für jeden und jede. Und nicht immer. Es gibt noch so viel mehr andere Dinge, die Männer und Frauen teilen können.

Eigentlich heißt Andreas anders. Aber er wollte gern offen über das Thema sprechen. In unserer Serie #beziehungsweise schildern wir immer wieder, wie 40-somethings lieben. Ob verheiratet oder Neu-Single, ob mit Freundschaft Plus oder mit einem jugendlichen Liebhaber. Wer sich gern beteiligen möchte, kann uns gern via Mail kontaktieren (kontakt@40-something.de) oder hier einen Kommentar hinterlassen. Wir freuen uns!

6 Replies to “Aus Männersicht: keine Lust auf Sex”

  1. Christoph Altrogge

    Mein Name ist Christoph Altrogge, ich lebe in Wien, werde demnächst 42 Jahre alt.
    Als ich so ungefähr 16 war, stellte ich fest, dass mich der Gedanke an Geschlechtsverkehr mit Frauen vollkommen kalt lässt.
    Gut, ich will ehrlich sein. Ein paar Mal bin ich in den Jahren danach vom Glauben abgefallen, indem ich mich von einer Frau ins Bett zerren ließ. Es war ganz okay, aber auf der anderen Seite auch wiederum nichts so Bombastisches, dass ich es mein ganzes Leben lang brauchen würde.
    Von mir aus thematisiere ich das nicht.
    Hin und wieder wird man jedoch ganz konkret danach gefragt.
    Hier tun sich nun zwei Extreme auf.
    Männer interessiert mein Beziehungsstatus in aller Regel nicht. Ich kann mich in all den Jahren gerade mal an zwei ohnehin nicht ganz Ernst zu nehmende Freaks erinnern, die mich wegen meines Frauendesinteresses dumm angequatscht haben.
    Frauen jedoch sind die Grausamkeit in Person bei diesem Thema! Nachfolgend alle Beleidigungsversuche von Frauen zu diesem Thema, die ich über viele Jahre hinweg gesammelt habe:
    Frauenhass.
    Trauben zu hoch.
    Ob ich noch bei Mutti lebe.
    Nicht zitierfähige Spekulationen über anatomische Gegebenheiten.
    Impotenz.
    Schwul sein.
    Aufforderung, sich in Psychotherapie zu begeben.
    Pädophil sein …
    Meine zwei absoluten Favoriten darunter: “Weil Sie in der Siebten Klasse bei der Nadine abgeblitzt sind (Who the F… is Nadine?), finden Sie heute alle Frauen Scheiße.”
    sowie “Na, mein Kleiner, hat Dir Deine Mutti als Kind zu oft den Hintern versohlt, dass Du heute Hass auf alle Frauen schiebst?”
    Eine der Multiple Choices folgt so zuverlässig wie der Herbst auf den Sommer.

    Mit freundlichen Grüßen aus Wien

    Christoph Altrogge

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    • Silke R. Plagge Author des Beitrags

      Lieber Christoph,
      vielen Dank für deinen Kommentar. Dass du so viele unangenehme Kommentare hören musstest ist wirklich heftig. Genau das war ja auch das Anliegen meines Gesprächspartners offene Worte zu veröffentlichen: Es gibt etliche Menschen, die eben nicht nach vorgegebenen Mustern leben und doch immer wieder an Maßstäben gemessen werden, die zu ihnen nicht passen. Alles Gute, Silke

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  2. Dropwort

    Der Mann dessen Name “Anders” ist, weiß nicht, dass er unbewußt seit längerem der MGTOW-Bewegung angehört. Ja. Es ist eine Bewegung. Und die ist nicht klein.

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    • Silke R. Plagge Author des Beitrags

      Hallo Dropwort,
      – ich musste das dann doch mal eben nachgucken. Du meinst “Men Going Their Own Way” ? Als Definition fand ich: ” is a statement of self-ownership, where the modern man preserves and protects his own sovereignty above all else”. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass keine Lust auf Sex generell mit keine Lust auf Frauen gleich zu setzen ist. So klang das im Gespräch jedenfalls nicht. Wer gänzlich von Frauen fern bleiben möchte, wird wohl auch keine Freundschaften mit Frauen suchen. Tippe ich mal.
      Viele Grüße, Silke

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  3. EinFragender

    Ab 40 oder schon früher geht die Produktion von Testosteron zurück.
    Ich denke das sorgt dafür daß man(n) noch weniger Interesse am Sex hat.
    Ich denke auch das dies ein Grund ist warum viele Männer ab 40 lieber ohne Frau leben.
    Und hinzu kommt das es Männer gibt die Frauen nicht nur wegen dem Sex mögen und sehr gerne kuscheln und Zweisamkeit leben. Bei diesen Männern gibt es dann noch den Effekt, das sie ja Glücklich sind und Sex nur eine Spielart der Nähe und Zärtlichkeit ist und auch das führt zu weniger Interesse am Sex.

    Das sind Gründe für bei mir zutreffen. Ich habe Gott sei Dank eine Freundin die genau so verschmust ist wie ich und die das ganz OK findet wenn wir nicht immer Sex haben.

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    • Silke R. Plagge Author des Beitrags

      Lieber EinFragender,
      danke für deinen Kommentar, den sicher auch Andreas lesen wird. Es liest sich doch sehr schön, dass du und deine Freundin genau das gefunden habt, was euch gemeinsam glücklich macht!
      Viele Grüße, Silke

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